Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) in Leipzig

Veröffentlicht am 02.05.2023 in Geschichte

Am 23. Mai 1863 erfolgte die Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV), der ersten selbständigen deutschen Arbeiterpartei. Zum Teil wegen organisatorischer Erfordernisse, zum Teil aber auch auf Grund von Lassalles spezifischem Demokratieverständnis wurde der Verband gemäß seinen Statuten streng zentralistisch aufgebaut und „so diktatorisch als möglich organisiert“ (Lassalle). Lassalle erhielt die Präsidialbefugnis für den langen Zeitraum von fünf Jahren. Er starb am 31. August 1864 in einem Pistolenduell.

Zur Vorbereitung eines „allgemeinen deutschen Arbeiterkongresses“ hatte das Zentralkomitee des Leipziger Arbeitervereins Ferdinand Lassalle in einer Zuschrift darum gebeten,
„Ihnen in irgend einer mir passend erscheinenden Form meine Ansichten über die Arbeiterbewegung und über die Mittel, deren sie sich zu bedienen hat, um die Verbesserung der Lage des Arbeiterstandes in politischer, materieller und geistiger Beziehung zu erreichen, sowie besonders auch über den Wert der Assoziation für die unbemittelte Volksklasse, auszusprechen.“

In dem als „Offnes Antwortschreiben“ bezeichneten Zuschrift nennt Lassalle als zentrale Bedingung für jeglichen – demokratischen – Wandel die Erringung des allgemeinen Wahlrechts :
„Das allgemeine und direkte Wahlrecht ist also, nicht nur Ihr politisches, ihr soziales Grundprinzip, die Grundbedingung aller sozialen Hilfe es ist das einzige Mittel, um die materielle Lage des Arbeiterstandes (das ist, so L., die „unbemittelte Volksklasse“ nach der preußischen Statistik 89 Prozent der Bevölkerung; che) zu verbessern... Organisieren sie sich als ein allgemeiner deutscher Arbeiterverein zu dem Zweck der gesetzlichen und friedlichen, aber unermüdlichen, unablässigen Agitation für die Einführung des allgemeinen und direkten Wahlrechts in allen deutschen Landen.“

Das würde viel Aufklärungsarbeit bedeuten:
„Debattieren Sie, diskutieren Sie überall, täglich, unablässig, unaufhörlich in friedlichen öfentlichen Versammlungen wie in privaten Zusammenkünften... Man kann von seiten der Regierungen mit der Bourgeoisie (gemeint sind hier vor allem die „Freisinnigen“; che) über politische Rechte schmollen und hadern... Aber das allgemeine Wahlrecht von 89 bis 96 Prozent der Bevölkerung – seien Sie ganz unbesorgt, meine Herren, es gibt keine Macht, die sich dem lange widersetzen würde“.
(aus: „Offnes Antwortschreiben“ v. 1. März 1863)
1871 galt das allgemeine Wahlrecht (zum Reichstag) für Männer, 1919 endlich für alle politischen Gliederungen und auch für Frauen.

Nach eingehender Diskussion des „Antwortschreibens“ lud der Leipziger Arbeiterverein Lassalle für den 16. April 1863 zu einer vorbereitenden Kundgebung ein, an der über 4.000 Menschen teilnahmen, unter ihnen auch Studenten und Kaufleute sowie Messebesucher. Seine Ansprache wurde mit großem Beifall bedacht. (Nachzulesen unter: Zur Arbeiterfrage. Rede vom 16. April 1863)

Berlin war immer schon besonders: Am 19. April lehnte eine Versammlung Berliner Arbeiter Lassalles Programm ab. Dennoch kommt es auch in Berlin im Juli 1863 zur Gründung einer Sektion des ADAV, die aber politisch bis in die 1870er Jahre einflusslos bleibt.